BerlinOnline                                   Berliner Kurier Donnerstag, 8. März 2001

 


Tierschutz ist Menschenschutz

Sie ist eine starke Frau: KURIER-Gespräch mit Alexandra Oetker

Oetker - den Namen kennt jedes Kind - und jeder Erwachsene. Alexandra Oetker ist die Ehefrau von Dr. h. c. August Oetker, Chef des Oetker-Konzerns. Sie lebt in Bielefeld, sie mag Berlin. Sie setzt sich ein für das Liberale Netzwerk und gegen die Hundehalterverordnungen. Mit Alexandra Oetker sprach Caroline Methner.

Berliner KURIER: Frau Oetker, Sie könnten sich ein schönes Leben machen. Warum engagieren Sie sich so?

Alexandra Oetker: Die Antwort ist ganz einfach: Unser Privatleben wird doch ganz wesentlich mitbestimmt von politischen Entscheidungsträgern, deren Handlungsweise sehr oft zu Kritik Anlass gibt. Deshalb sollten wir die Chance nutzen, uns für unsere eigenen Werte und Überzeugungen stark zu machen. Auf diese Weise kann jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten einen Beitrag leisten zur Verbesserung von Missständen in Politik und Gesellschaft.

Welche Ziele hatten Sie bei der Gründung des Liberalen Netzwerkes?

Vor gut drei Jahren haben Dr. Hergard Rohwedder, Gerd Schulte-Hillen, Karl Ulrich Kuhlo und ich federführend das Liberale Netzwerk gegründet. Wir wollten sozusagen im Sinne der offenen Bürgergesellschaft eine Struktur schaffen, die es politisch interessierten Menschen ermöglicht, sich für liberale Werte zu engagieren, ohne in die Parteipolitik zu gehen. Wir treten ein für die Freiheit von staatlicher Bevormundung, Eigenständigkeit im Handeln, Verantwortung für sich selbst und das Gemeinwohl.

Arbeiten Sie bundesweit?

Auf Bundesebene beschäftigt sich unser Arbeitskreis mit strategischen Fragen und Aktionen für das Gesamtnetzwerk, wie z. B. Anzeigenkampagnen oder politischen Aufrufen. Für die Koordination unterhalten wir ein Büro in Berlin. Zum Arbeitskreis gehören außer den Gründungsmitgliedern Rohwedder, Schulte-Hillen und Oetker u. a. auch der Zeitgeschichtler Prof. Arnulf Baring, der Linde-Vorstand Hero Brahms, der Unternehmensberater Joachim Kienbaum, der Historiker Joachim Fest und der Rechtsanwalt Prinz Stefan zur Lippe.

Wie stehen Sie zur FDP?

Wir sind eine parteiunabhängige Initiative. Allerdings sind wir der Meinung, dass die FDP aus heutiger Sicht die Partei ist, die sich am ehesten für die Verwirklichung unserer Ziele einsetzt. Interessant ist in diesem Zusammenhang vielleicht auch die Zusammensetzung unserer Mitstreiter: In unserem Arbeitskreis bin ich als Einzige FDP-Mitglied, von unseren ca. 450 Mitstreitern aus Wirtschaft, Kultur, Medien und Sport sind es derzeit rund 12 Prozent.

Welche Chancen sehen Sie für die Liberalen in den neuen Bundesländern?

Menschen, die in einer Diktatur aufgewachsen sind, in der ja alle fundamentalen Werte einer Demokratie fehlen, brauchen sicherlich Zeit, um sich zu selbstbewussten, freien Bürgern zu entwickeln. Jahrzehntelange staatliche Bevormundung bedingt bei vielen Ängste vor der Eigenständigkeit. Genau diese Ängste sind es vermutlich, die die Menschen in die Arme der PDS treibt, der Partei, die ihnen aus der Vergangenheit vertraut ist und die ihnen verspricht, sie zu beschützen. Ich glaube, eine bedeutende Rolle können Liberale im Osten wohl erst dann spielen, wenn eine ganze Generation im demokratischen Geist herangewachsen ist. Was das Freiheitsbewusstsein der Bürger betrifft, sehe ich übrigens auch im Westen große Defizite, an denen die Politik keineswegs unschuldig ist.

Sie engagieren sich auch gegen die Landeshundeverordnungen. Gibt es da einen Zusammenhang mit dem Liberalen Netzwerk?

Nur insofern, als auch unsere letztes Jahr gegründete Interessengemeinschaft Mensch und Hund eine Initiative im Sinn der offenen Bürgergesellschaft ist. Hier hat sich parteiübergreifend eine Vielzahl von Menschen zusammengefunden, u. a. eine Reihe von Staats- und Rechtsanwälten, hochkarätigen Polizeibeamten und Behördenvertretern, Journalisten und Wissenschaftlern, die keineswegs alle betroffene Hundebesitzer sind. Eins jedoch haben wir alle gemeinsam: Wir sind nicht bereit hinzunehmen, mit welcher Willkür der Staat hier unsere Grundrechte verletzt. Für uns ist das Thema Hundeverordnung ein Freiheits-Thema.

Aber es gab doch schlimme Überfälle durch Kampfhunde...

Das stimmt, aber nehmen Sie z. B. den schrecklichen Fall in Hamburg: Der kleine Volkan wäre noch am Leben, wenn die Behörden die Auflagen, die der zig- Mal vorbestrafte Hundehalter ja für seinen Hund hatte, konsequent vollzogen hätten. Meines Erachtens gehören hier neben dem Hundehalter auch diejenigen auf die Anklagebank, die nichts gegen ihn unternommen haben. Auch wir wollen den Schutz vor gefährlichen Hunden. Wir haben dazu sogar ein Programm erarbeitet, das Leinenzwang in Wohngebieten, Maulkorbpflicht für gefährliche Hunde und einen Sachkundenachweis für alle Hundehalter vorsieht.

Der Ansatz der neuen Verordnungen ist aber einfach grundfalsch: Es gibt gefährliche Hunde, aber keine gefährlichen Rassen, das ist durch eine Vielzahl wissenschaftlicher Gutachten belegt. Deshalb sind die Rasselisten absolut unsinnig. Der Staat sollte sich endlich zu seiner Schlamperei im Vollzug bekennen, dort Abhilfe schaffen und sich die wirklich Schuldigen vorknöpfen, nämlich die Züchter und Halter aus dem kriminellen Milieu. Stattdessen schafft man ohne erkennbaren Sachverstand bürokratische Monster, die eine Vielzahl untadeliger Hundebesitzer abstrafen und allenfalls eine Scheinsicherheit bieten.

Die Folgen sind staatlich gefördertes Denunziantentum und eine neue Form der Gewalt: Übergriffe von Hundegegnern auf Hundehalter sind keine Seltenheit. Ich finde dabei besonders erschreckend, mit welcher Selbstverständlichkeit der Staat hier nicht nur gegen das Tierschutzgesetz verstößt, sondern auch gegen elementare Verfassungsrechte.

Woraus resultiert Ihr Engagement für den Umweltschutz?

Ich hatte schon als Kind eine sehr ausgeprägte Liebe zum Tier und zur Natur. Durch zwei meiner Hobbys, nämlich Reisen und Tierfotografie, kam ich vor vielen Jahren zum erstenmal auf die Galapagos-Inseln. Ich war von der Einzigartigkeit dieser Inseln damals so überwältigt, dass ich mir sagte: Irgendeinen Beitrag musst du leisten zum Erhalt solcher Paradiese. Ich trat damals in den WWF Deutschland ein, bin dort vor sieben Jahren ins Kuratorium gekommen und wurde dann vor fünf Jahren in den Stiftungsrat gewählt.

BSE ist zurzeit das brisanteste Thema. Hat es für Sie einen Zusammenhang mit Umweltschutz?

Indirekt schon: Die heute bei uns praktizierte Landwirtschaft wirft eine Vielzahl von Problemen auf, die im direkten Zusammenhang mit dem Weltschutz stehen. Es rüttelt an den Grundfesten meiner ethisch-moralischen Wertevorstellungen, wie man in den letzten 50 Jahren unsere bäuerliche Landwirtschaft in eine industrielle Agrarwirtschaft umgewandelt hat, bei der die Achtung vor dem Tier als Kreatur der Schöpfung auf der Strecke geblieben ist.

Sie haben so viel Kraft - warum gehen Sie nicht in die Politik?

Ich halte die Arbeit im politischen Vorfeld gerade aus heutiger Sicht für ausgesprochen wichtig. Ich glaube übrigens, dass dort angesiedelte Initiativen immer mehr an Bedeutung gewinnen werden. Der Grund dafür liegt wohl darin, dass gerade aus der Regierungsverantwortung heraus heute zunehmend eine Politik gemacht wird, die sich weniger an Problemlösungen orientiert als an den wählerstimmenträchtigen Lobbyisten und den Medien. Diese Politik des Machterhalts um jeden Preis wollen viele Bürger einfach nicht mehr tatenlos hinnehmen.

Macht Ihr Name es Ihnen leichter, etwas zu erreichen?

Er macht es mir sicherlich in vielerlei Hinsicht leichter, gehört zu werden. Andererseits bringt die größere Öffentlichkeit, die mit meinem Namen verbunden ist, oft eine recht hohe Erwartungshaltung mit sich, die mich manchmal ein wenig belastet.


http://www.BerlinOnline.de/aktuelles/berliner_kurier/berlin/.html/artik2.html
Ein Service von Berliner Zeitung, TIP BerlinMagazin, Berliner Kurier und Berliner Abendblatt.
© G+J BerlinOnline GmbH, 08.03.2001